Die Biologie meiner Eltern verwehrte mir leibliche Geschwister. Ich wuchs als Einzelkind auf, umgeben von fürsorglichen Erwachsenen, die alle «nur das Beste» für mich wollten. Ihre Zuwendungen und Besorgtheiten prasselten auf mich nieder wie die dicken Regentropfen eines Schauers im Frühsommer. Ständig war ich bemüht, die Nässe von mir abzuschütteln.
Als Kind unter Kindern lernte ich nicht meinen Egoismus zu zügeln. Als Jugendlicher trotzte mein Dickkopf den Werten meines Elternhauses, und widersetzte sich zusätzlich dem Gruppengeist meiner Altersgenossen. Wie ein verlassener Wolf auf dem Felsvorsprung heulte ich einsam mein Lied des Unverstandenen.
Ich zählte bereits zur Gruppe der Erwachsenen als sich dies änderte. Es änderte sich durch eine wundervolle Begegnung und einen merkwürdigen Auftrag, den ich von einem Bekannten erhielt: Er hatte eine junge Frau kennengelernt, und ich sollte ihre Bekanntschaft machen. Ich sollte prüfen, ob sie zu ihm passen würde. Die Gründe, warum er ausgerechnet mich für eine solch wichtige Aufgabe auswählte, habe ich nicht erfahren. Die Sonderbarkeit des Anliegens reizte mich, ich nahm den Auftrag an.
Aus: „Herzbuch Freundschaft“