Ein leichter Fall

Ostermontag, 1. April: Schritt für Schritt tastete sich Inspektor Freitag voran. Je tiefer er hinab stieg, je schummeriger wurde das eh schon spärliche Tageslicht. Nur schemenhaft waren die Wände auszumachen, die einmal weiß getüncht waren. Jetzt bröckelte der Putz, Risse durchzogen das Mauerwerk. Eine Ratte huschte über den Schutt, der überall auf den Steinstufen verteilt lag. Freitag hielt inne und lehnte sich an die Gewölbewand, die feuchte, modrigstickige Luft bereitete ihm Atemschwierigkeiten. Vielleicht, so schoss es ihm durch den Kopf, war es keine so gute Idee in die untersten Kellergewölbe der verlassenen Brauerei vorzudringen ohne seinen Kollegen Bescheid zu geben, vielleicht aber würde sich seine Vermutung auch ganz einfach als Flop herausstellen. Vorsichtig tastete er sich voran. Steine rutschten die Stufen hinunter und blieben auf einem weitläufigen Boden liegen. Nur noch wenige Meter, jetzt war er am Fuße des riesigen Fabrikschornsteins angelangt, sein Ziel. Er zog sein Handy aus der Tasche. Er hatte keinen Empfang. Sein Blick richtete sich nach oben in eine undurchsichtige Höhe. Ein Hustenanfall schüttelte ihn. Hohl, wie höhnendes Lachen warfen die Wände die Laute zurück. Er verharrte. „Wouw …“, entfuhr es ihm plötzlich. Da war es, worauf er gewartet hatte. Erst zeigte sich ein Flackern, doch jetzt bewegte es sich langsam und stetig nach unten, ein Lichtstrahl strich den Schornsteinkörper entlang. „Der mechanische Lichteinfall funktioniert also noch …“, murmelte er. Jetzt war er direkt ihm gegenüber auf Augenhöhe. Deutlich machte Freitag einen losen Stein im Mauerwerk aus. Das musste es sein! Magisch angezogen bewegte er sich darauf zu. Plötzlich traf ihn ein schwerer Schlag am Hinterkopf, er sackte zu Boden. Nacht umhüllte ihn. Neugierig schnupperte eine Ratte an dem feinen Rot, das den Boden tränkte. …

Aus: „Unberechenbar – Mathematische Kriminalgeschichten“