Meist sind es nur wenige Begebenheiten der Kindheit, an die man sich als Erwachsener genau erinnert. Für Elisabeth, genannt Lilly nach ihrem wippenden Haarzopf, war dies eine peinliche Situation. Obwohl ihr damals, mit ihren acht Jahren nicht klar war, was peinlich bedeutete. Ihr etwas älterer Spielkamerad Jochen wusste auch nichts mit der Situation anzufangen. Doch für die Erwachsenen, schien sie ein Eklat zu sein, und der sonntägliche Tierparkbesuch endete in Verstimmung.
Begeistert war Lilly mit Jochen von einem Tiergehege zum anderen gelaufen. Plötzlich überkam sie ein dringendes menschliches Bedürfnis. Mitten auf dem Rasenstreifen vor den Giraffen hockte sie sich hin und verrichtete ihre Notdurft. Ihre Mutter schrie auf, schimpfte: sie solle sofort herkommen, warum sie nicht zur Toilette ginge, so etwas mache man nicht, das wäre unanständig und äußerst peinlich! Verwirrt stand Lilly auf, strich ihren Rock glatt. Ihr kleinlautes „ich musste ganz dringend, ich hätte mir sonst in die Hose gemacht“ wurde übertönt vom aufgebrachten Reden der Erwachsenen. Vater meinte, so ein Verhalten sei nicht zu billigen, die Tante empörte sich über die Blage, die in aller Öffentlichkeit ihr Hinterteil entblößt hatte. Jochens Mutter schimpfte ebenfalls, nicht mit Lilly, sondern mit Jochen, der neben ihr gestanden hatte und ihrer Meinung nach in unverschämter Art und Weise hingeguckt hätte.
Aus: „Ein Kinderspiel / kein Kinderspiel“